Kultusministerin Theresa Schopper informierte sich bei ihrer Visite in Heiligenbronn über die Sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentren der Stiftung.
Die unverzichtbare Arbeit der vier Sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentren (SBBZ) der Stiftung St. Franziskus stand am Montag, 13. Mai, ganz im Mittelpunkt eines Praxisbesuchs von Baden-Württembergs Kultusministerin Theresa Schopper. Mit einer Gruppe weiterer offizieller Vertreter aus dem Regierungspräsidium, dem Schulamt und auch dem Landkreis Rottweil erhielt die Grünen-Politikerin spannende Einblicke in den Unterricht einer Klasse von Schülern mit Hörbehinderung sowie in die intensive Förderung von Kindern mit Taubblindheit. Bei kurzen Vorträgen und einem anschließenden Austausch hoben die Vorstände der Stiftung, Andrea Weidemann und Stefan Guhl, die Bedeutung der Einrichtungen auch vor dem Hintergrund der Inklusionsdiskussion hervor.
Neben dem SBBZ ESENT in Villingen-Schwenningen für soziale und emotionale Schwerpunkte unterhält die Stiftung St. Franziskus drei weitere Sonderpädagogische Bildungs- und Beratungszentren: Das SBBZ Hören und das SBBZ Sehen – jeweils in Heiligenbronn – sowie das SBBZ Sehen in Baindt. Diese hochspezialisierten Einrichtungen konzentrieren sich vor allem auf das Unterrichten und Fördern von jungen Menschen in den Bereichen Sehen, Hören, Blindheit sowie Menschen mit Taubblindheit beziehungsweise Hörsehbehinderung. Die Diagnostik in den Förderschwerpunkten Hören, Sehen und Taubblindheit sind grundlegend für das schulische Lernen.
Sehen und Hören waren am vergangenen Montag in mehrerlei Hinsicht auch die Leitlinien beim Besuch von Kultusministerin Theresa Schopper bei der Stiftung. Denn um wegweisende Entscheidungen zu treffen, liegt es für die Vertreter an den Schalthebeln von Politik und Verwaltung nahe, sich vor Ort ein Bild von den Adressaten ihrer Arbeit und Entscheidungen zu machen. Deshalb gehörten am vergangenen Montag auch interessante Eindrücke, die direkt die beiden Sinne ansprachen: Wie etwa die Stippvisite in einer Klasse von Schülern mit Hörbehinderung. Die neun Schüler der Grundschulklasse 1/2b lernten an diesem Vormittag Wörter, die mit einem W beginnen: Wal, Wald, Wasser, Wolke. Es ging darum, die Begriffe zu erlesen, verständlich auszusprechen und sie schreiben zu lernen. Eine Klassenhöranlage im Unterrichtsraum verstärkt hierbei die Aussagen der Pädagogin, hörtechnisch versorgte Kinder erhalten das Gesagte direkt auf ihr Hörsystem. Eine Gebärdensprachdolmetscheirn übersetzt das Gesagte simultan in Gebärdensprache, um den Kindern die richtige Bedeutung zu geben. Die Höreinschränkungen der Schüler sind völlig unterschiedlich ausgeprägt, viele Kinder haben einen geringen Wortschatz, daher die multimodale Vermittlung des Unterrichtsstoffs. „Die Schüler haben hier natürlich ganz andere Rahmenbedingungen zum Lernen als an einer normalen Schule“, so Ministerin Theresa Schopper.
Nicht weniger Eindruck hinterließ der anschließende Besuch in einer kleinen Klasse für Kinder mit Taubblindheit/Hörsehbehinderung. Die Schüler werden dort individuell und ihren persönlichen Bedarfen und Entwicklungsstadien entsprechend gefördert. Wie etwa der 17-jährige Fabian (Name geändert): „Als er zu uns kam, konnte er weder laufen, noch trat er in einen nennenswerten Kontakt mit seiner Umwelt“, berichtet Sarah Armbruster. Die Fachlehrerin arbeitet seit acht Jahren eng mit Fabian zusammen. Vorher galt Fabian als nicht „testbar“. Die Folgen: keine zielgerichtete Förderung und Stagnation in der Entwicklung. „Bei uns hat er begonnen, seine Welt zu entdecken und genießt seinen Spielraum, den er jetzt hat“, so die Pädagogin. „Es macht mich betroffen, zu sehen, welche Auswirkungen eine falsche Entscheidung in frühester Kindheit haben kann“, sagte Ministerin Schopper.
Heiligenbronn ist zugleich Standort des einzigen Kompetenzzentrums für Taubblindheit/Hörsehbehinderung in Baden-Württemberg. Um Kinder mit Taubblindheit möglichst frühzeitig richtig zu diagnostizieren und zu fördern, dazu gibt es in Heiligenbronn zum einen die Pädagogische Audiologie. „Die Diagnostik, die wir dort durchführen können, ist das A und O für den weiteren Lebenslauf“, erklärte Anne Bredtmann, Direktorin des SBBZ Hören. Und zum anderen gibt es innerhalb des Kompetenzzentrums die Abteilung Frühförderung und Sonderpädagogischer Dienst für Kinder und Jugendliche mit Taubblindheit. Deren Leiterin Julia Usselmann gab interessante Einblicke in die Arbeit: „Ein Großteil der Kinder mit Taubblindheit erlernen keine konventionelle Sprache. Trotzdem haben sie das Bedürfnis, sich mitzuteilen und im Dialog zu bleiben. Für uns Pädagogen bedeutet es, ganz genau hinzuschauen und zuzuhören. Die Kommunikation beginnt mit Zuhören.“
Einander zuhören – es war so etwas wie das inoffizielle Motto der Veranstaltung. Denn um im Dialog mit der Politik und Verwaltung zu bleiben, ist es den Vorständen der Stiftung wichtig, die Anliegen des Unternehmens und seiner Klientel zu adressieren. „Wir hoffen, dass sich Frau Schopper bei ihrem Besuch von der wertvollen Arbeit unserer Sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentren überzeugen konnte“, so Stefan Guhl, Vorstand der Stiftung. Man müsse jeden einzelnen Menschen mit Sinnesbehinderung individuell betrachten und an seinen Bedarfen orientiert eine adäquate Förderung und Betreuung zukommen lassen. „Bei uns können sich jene, die eine spezielle Umgebung benötigen, bestmöglich entfalten“, so der Vorstand. Die Debatte um die Inklusion würde leider gelegentlich zu Fehlannahmen führen. Nämlich, dass möglichst jedes Kind mit Behinderung mit anderen Kindern beschult werden sollte. Vorstandskollegin Andrea Weidemann ergänzte deshalb: „Sicherlich brauchen wir mehr Inklusion in den Schulen. Aber bitte nicht zu Lasten jener Kinder und Jugendlichen mit Behinderung, die dringend eine bedarfsgerechte Förderung benötigen, aber sie dann womöglich nicht mehr erhalten würden.“
Mit dem Fachkräftemangel sprachen Marcus Adrian, Leiter des Sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentrums Sehen Baindt, und sein Kollege aus Heiligenbronn, Dietmar Stephan, einen weiteren bedeutenden Aspekt an. Beide richteten gleich einen konkreten Wunsch an das Kultusministerium, nämlich bei den verschiedenen Maßnahmen der Lehrkräftegewinnung die privaten Schulen gleichberechtigt mitzudenken. „Vor allem im ländlichen Raum ist es schwierig, spezialisierte Lehrkräfte zu bekommen. Wir möchten uns gerne an der Ausgestaltung und der Durchführung von Nachqualifizierungsmaßnahmen beteiligen“, so Marcus Adrian. Direkteinstiege und Nachqualifizierungsmaßnahmen sind äußerst wichtig zumal die Nachfrage nach Schulplätzen hoch sei: „Gemessen am eigentlichen Bedarf an passenden, förderlichen Schulangeboten für Kinder und Jugendliche mit Sinneseinschränkung und weiteren Bedarfen können wir nicht ausreichend Plätze für Schüler anbieten“, so Dietmar Stephan.
Kultusministerin Theresa Schopper sowie Referatsleiter im Kultusministerium, Hubert Haaga, brachten in ihren Schlussworten ihre Wertschätzung für die Arbeit der Sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentren der Stiftung St. Franziskus deutlich zum Ausdruck. „Wir wissen, was Sie leisten. Bei Vor-Ort-Terminen bin ich immer wieder beeindruckt, wie Sie mit den Kindern arbeiten“, so Hubert Haaga. Auch Ministerin Theresa Schopper drückte den Vertretern der Stiftung ihre Anerkennung und ihren Dank aus: „Ich bin froh über den Einblick in die Praxis, den ich hier heute gewonnen habe. Die Erkenntnisse helfen uns dabei, Sie künftig noch besser in Ihrer täglichen Arbeit zu unterstützen. Vielen Dank für das, was Sie hier für die Kinder und deren Eltern leisten.“